Sauerteigbrot mit gekeimtem Weizen

Das mit den Pausen ist ja so eine Sache. Pausen können anstrengend sein, ja richtig nerven. Hibbelig  springt man von einem Bein auf’s andere, bis es denn endlich, endlich weitergeht. Oder, Pause ganz anders: willkommene Ruhe. Zeit zum Innehalten, Umschauen, Fühlen, Neubetrachten. Eine Chance, Kraft zu tanken – für Neues und Altes. Was auch immer Pausen für einen bedeuten, eines haben Beide doch gemein: sie haben irgendwann ein Ende. So auch hier. Ein Ende mit neuem Rezept. Eines, auf das sich das Warten gelohnt hat, denn dieses ist definitiv eines der besten Brote, die ich jeh aus meinem alten Ofen retten durfte. Ob es an den ausgeruhten Weizenkörnern liegt, in denen all die Kraft für das neue Korn steckt und die erst Keimen dürfen, bevor sie in den Teig kommen? Ein bisschen Magie, die den Zauber des Anfangs mit ins Brot trägt?
Keimen verändert das Korn. Es wacht auf, stellt sich auf’s Wachsen ein. Stärke wird abgebaut, Eiweiße werden in Aminosäuren zerlegt. Enzyme, wie die Phytase werden aktiviert und damit Mineralstoffe und Spurenelemente freigesetzt. Der Gehalt an Vitaminen im Korn nimmt erheblich zu, von denen jedoch leider nicht alle hitzestabil sind. Kenner schwören auf Bekömmlichkeit und Nährstoffgehalt von Essener Brot, welches zu 65-100% aus gekeimtem Getreide besteht und bei niedrigen Temperaturen gebacken wird. Ich werde mich rantasten.
Dieses Brot hier enthält knapp 20% gekeimten Weizen und lässt sich damit noch gut zu einem ansehnlichen Laib formen. Nach dem Backen verströmt es einen angenehm grasigen, frischen Duft. Die Krume ist offen und elastisch, die Kruste dünn und splittrig. Frisch schmeckt es saftig und nussig und braucht eigentlich nicht mehr, als ein bisschen Butter. Ich finde, ein durchaus gelungener Anfang.

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Getreide zu keimen ist simpel. Ich habe zwar extra dafür ein Sprossenglas, aber auch ohne Spezialgerät sollte es problemlos funktionieren. Ihr brauch ein sauberes großes Glas, ein feinmaschiges Küchensieb, welches die Glasöffnung komplett verschließt, und eine Schüssel, groß genug für das Sieb, um das abtropfende Wasser aufzufangen. Das Getreide wird zunächst im Glas in kaltem Wasser eingeweicht, mindestens 12 Stunden. Danach das Wasser abgießen und die Körner nochmals Spülen, das Wasser abgießen. Die Öffnung nun mit dem Sieb verschließen und das Glas kopfüber so auf die Schüssel setzen, dass das restliche Wasser abtropfen kann. Zusätzlich sollte zwischen Sieb und Schüsselboden genug Platz sein, damit die Luft zirkulieren kann. Die Keimsaat 2x täglich Spülen. Bei diesem warmen Wetter bildet sich etwa nach 18-24 Stunden an der Spitze des Korns der Ansatz eines Keims der mit längerer Keimdauer weiter wachsen wird. Da mit dem Fortschreiten der Keimung auch Enzyme gebildet werden, die die Backeigenschaften beeinträchtigen, habe ich die Keimlinge spätestens dann verwendet, wenn sie oben abgebildetes Stadium erreicht hatten. Der beste Zeitpunkt zum Ansetzen des Sauerteiges ist also dann, wenn ihr den kleinen weißen Ansatz des Keimlings am Korn gut erkennen könnt.

Sauerteigbrot mit gekeimtem Weizen:

Sauerteig:
10g Weizenmehl 550
30g Roggen 997 oder höhere Type)
40g Wasser
15g Anstellgut

Hauptteig:
165g gekeimter Weizen (abgetrocknet gewogen, dafür etwa 100g keimfähige Weizenkörner erst 12 h in Wasser einweichen und dann 18 – 48 h bei Raumtemperatur keimen lassen)

360g Weizenmehl 550
190g* + 60g Wasser, handwarm
10g Salz

Die Weizenkörner wie oben beschrieben erst quellen, dann keimen lassen. Wenn die Keimansätze an den Spitzen der Körner gut erkennbar sind, den Sauerteig ansetzen. Dazu die Sauerteigzutaten verrühren und 8-10 Stunden abgedeckt bei warmer Raumtemperatur (24-26°C) reifen lassen.

Die Weizenkörner nach der Keimung nochmals abspülen und auf einem Küchenkrepp abtrocknen lassen. Die Körner im Mixer mit 60g Wasser zu einem Brei pürieren. Diesen Brei mit dem restlichen Wasser (*wer schon etwas Erfahrung mit weichen Teigen hat, nimmt bis zu 20g mehr Wasser!) und dem reifen Sauerteig in einer großen Schüssel verrühren. Das Mehl einstreuen und unterrühren bis keine trockenen Stellen mehr zu sehen sind. Den Teig abgedeckt 30 Minuten zur Autolyse stehen lassen.

Nach der Autolyse das Salz über den Teig streuen und einfalten. Dafür zunächst mit einem Teigschaber unter den Teig fahren und dabei den Rand zur Mitte hin schlagen, rundherum. Zunächst 2 Runden mit dem Schaber, dann nochmal so lange mit der Hand falten, bis ihr kein Salz mehr fühlen könnt. Ihr werden merken, wie der Teig dabei langsam straffer wird. Den Teigling abgedeckt 30 Minuten ruhen lassen, danach nochmals sanft eine Runde falten, wieder gehen lassen. Insgesamt in den ersten 2 Stunden Gehzeit den Teig alle 30 Minuten, also 4 Mal falten. Dann den Teig nochmals 1,5 – 2 Stunden gehen lassen, das Volumen vergrößert sich dabei nur leicht. Der Teig sollte sich jetzt aber glatter, elastischer anfühlen und „luftig“ von feinen Gärblasen durchzogen sein.

Bei einem weichen Teig wie diesem ist sanftes aber denoch straffes Formen wichtig, um den Ofentrieb zu unterstützen und damit ein Flachlaufen des Brotes zu verhindern. Das ist nicht ganz einfach und erfordert etwas Übung. Zunächst wird der Teigling vorgeformt und darf vor der endgültigen Formgabe nochmals ruhen. Zum Vorformen den Teig auf eine leicht bemehlte Arbeitsfläche stürzen. Die Hände leicht mehlen und mit gerundeten Händen den Teigling über die Arbeitsfläche drehen. Dabei die Teigoberfläche straffen und unter den Teig schieben. Schöner sieht man dies hier. Den Teigling 20 Minuten ruhen lassen und ein Gärkörbchen vorbereiten. Dafür dieses mit einem bemehlten Küchentuch oder Bäckerleinen auslegen. Nun erhält das Brot seine Endform, bei mir ein Batard, also eine längliche Brotform. Dafür den Teigballen mit dem Schaber aufnehmen und umdrehen. Die Seiten nach innen Falten, die letzte Seite dabei über die Nahtstelle in der Mitte straffen. Nun, ähnlich wie bei einer Schuhschnürung, also parallel von gegenüberliegenden Seiten, den Teig vom Rand in kleinen Abschnitten über die Mitte falten. Am oberen Ende beginnend bis zum unteren Ende. Nun noch den Teigling von einer kurzen Seite her aufrollen, die glatte Oberfläche mehlen und den Teigling mit der glatten, bemehlten Oberfläche nach unten in das Körbchen legen. Geschafft! Visuell hier nochmal schön zu sehen. Wie gesagt alles Übung, aber nur die…naja, 5 Euro ins Phrasenschwein. Den Teigling im Körbchen abdecken (Duschhauben machen sich hier übrigens wunderbar) und 1 Stunde bei Raumtemperatur gehen lassen. Danach weitere 16 – 20 Stunden im Kühlschrank reifen lassen.
Am Backtag den Ofen mit Backstein auf 230°C ausreichend lang vorheizen. Das Brot auf einen mit Backpapier ausgelegten Schieber stürzen, nach Wunsch einschneiden. Mit Dampfgabe in den Ofen einschießen. 25 Minuten bei 230°C backen, dann die Temperatur auf 200°C runterdrehen und das Brot weitere 10-15 Minuten ausbacken.

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16 Kommentare zu “Sauerteigbrot mit gekeimtem Weizen

  1. hach, susanna, das fühlt sich herrlich an, wieder ein richtiges brot-rezept von dir zu lesen. für heute bin ich zwar schon versorgt. aber das merke ich mir für ganz bald vor! hört sich nämlich unglaublich gut an. danke!
    auf ganz bald,
    sabine

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  2. Was für ein großartiges Brot…die Krume sieht super schön aus und die Kruste ebenfalls. Werde ich auf jeden Fall nachbacken.
    Lieben Dank für das tolle Rezept
    Gruß
    Dagmar

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  3. Schön, wieder von Dir zu lesen 🙂
    Mit diesem Brot hast Du mich voll erwischt; ich hatte schon lange im Hinterkopf, mal einen Versuch mit Essener Brot zu starten, aber die heilige Trägheit hat mich daan gehindert. Nun habe ich gerade eine großzügige Portion Dinkel (250 g ) im Keimglas eingeweicht und mir einen Pla zurechtgelegt. Danke 🙂

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  4. Sehr feine Worte zu herrlichem Brot! Die Keime hatte ich auch vor einiger Zeit in meinem Test Reihen Brot und du beschreibst es .. grasiger frischer saftiger Duft. Meine Eltern schwören ja auf Essener Brot aus Bettinas Keimbackstube.

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    • Lieb‘ von dir, vorbeizuschauen Susanne, ich freu mich sehr über deinen Kommentar. Wie weit bist du denn mit dem Gekeimten gegangen? Ich glaube bei einem höheren Anteil Keime wie beim Essener gelingt es sicher nur noch in der Form.

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